„Ich war’s nicht!“ – Erfolgsaussichten und Risiken beim Bestreiten der Fahrereigenschaft

„Ich war’s nicht!“ – Erfolgsaussichten und Risiken beim Bestreiten der Fahrereigenschaft

Wer im Straßenverkehr „geblitzt“ wird und dessen Personalien nicht schon vor Ort durch anwesende Polizeibeamte oder Ordnungskräfte aufgenommen werden, erhält einige Zeit später von der zuständigen Bußgeldstelle einen Anhörungsbogen oder Zeugenfragebogen, meistens mit einer Kopie des jeweiligen Messfotos. Ähnlich wie in einem Strafverfahren besteht auch bei Bußgeldsachen keine Verpflichtung des Betroffenen (also demjenigen, gegen den sich das Verfahren richtet), sich zur Sache zu äußern oder auf sonstige Weise aktiv an den Ermittlungen mitzuwirken. Handelt es sich um einen Zeugenfragebogen, so ist der Zeuge – anders als der Betroffene – verpflichtet, Angaben im Rahmen seiner Möglichkeiten und seines Wissens zu machen. So muss der Halter des Fahrzeugs als Zeuge grundsätzlich den Fahrzeugführer benennen. Schweigen kann der Zeuge jedoch, wenn ihm ein Zeugnisverweigerungsrecht (z.B. bei Verwandtschaft bzgl. des Fahrers) zusteht oder wenn er sich durch eine Aussage selber belastet (sog. Auskunftsverweigerungsrecht), er beispielsweise selber der Fahrer war. Für den Fall, dass das Verfahren eingestellt wird, weil kein Fahrer ausfindig gemacht werden kann, droht im Nachhinein dem Fahrzeughalter die (zeitlich beschränkte) kostenpflichtige Anordnung der Führung eines Fahrtenbuchs. Sofern die Fahrereigenschaft nicht ausdrücklich zugestanden wird, kann der Betroffene somit bestreiten, der Fahrzeugführer gewesen zu sein, oder einfach nur schweigen. Die Benennung eines falschen Fahrers stellt jedoch eine Straftat dar („Falsche Verdächtigung“) und wird entsprechend verfolgt und geahndet. Auf das Einverständnis des benannten Fahrers kommt es hierbei nicht an. Sofern Punkte im Raum stehen, werden diese namentlich im Flensburger Fahreignungsregister eingetragen. Insofern soll nicht einfach irgendjemand die aus einem Verstoß resultierenden Punkte auf sich nehmen können. Die Behörden und Gerichte prüfen daher sehr genau (u.a. durch einen Passbildabgleich), wer der tatsächliche Fahrer bzw. die Fahrerin war und die Tat begangen hat. Das Bestreiten der Fahrereigenschaft wird von den Betroffenen allzu häufig als erfolgversprechende Verteidigungsstrategie angesehen – aus fachlicher Sicht ist dies nicht immer berechtigt.   Hinzu kommt ein nicht unerhebliches finanzielles Risiko: Denn es droht im weiteren Verfahrensverlauf, spätestens vor Gericht, die Einholung eines sog. anthropologischen Sachverständigengutachtens. Die Kosten für ein derartiges Gutachten liegen bei mehreren hundert Euro und sind im Falle einer Identifizierung und späteren Verurteilung von dem Betroffenen (zusätzlich zu der Geldbuße und den übrigen Verfahrenskosten) zu tragen, sofern nicht ggfs. eine Rechtsschutzversicherung hierfür aufkommt. Bei der Frage der Identifizierungsmöglichkeit und der Betrachtung des übersandten Messfotos ergeben sich eventuelle qualitative Einschränkungen häufig schon allein aus dem Vorgang des Kopierens und Einscannens. Es ist daher zu bedenken, dass es sich bei dem Originalbildmaterial um ein Hochglanzfoto mit meist sehr guter Auflösung und Schärfe handelt. In vielen Konstellationen sind die Fahrzeugführer auf dem Messfoto durch Kraftfahrzeugteile (Spiegel, A-Holm, Scheibenwischer, Sonnenblende) oder das Tragen einer Sonnenbrille etc. teilweise erheblich verdeckt, sodass für den ungeübten Betrachter der Eindruck entsteht, eine Identifizierung sei nicht möglich. Aus wissenschaftlicher Sicht von gutachterlicher Bedeutung ist bei diesen Lichtbildern jedoch nicht die Verdeckung selbst, sondern stattdessen der trotz Verdeckung noch sichtbare Teilbereich. Anders formuliert: Maßgeblich ist nicht was man nicht sieht, sondern was man sieht. Das menschliche Gesicht weist jeweils derart viele individuelle Merkmale auf, dass es schon ausreichend sein kann, wenn nur einzelne Teile zu erkennen sind. Zur einwandfreien Identifizierung ist es daher nicht zwingend erforderlich, das ganze Gesicht zu sehen. So kann bspw. anhand einer einzigen bestimmten Region des Gesichts (Ohren-, Mund-, Augen- oder Nasenpartie) aufgrund der Einzigartigkeit eine Wiedererkennung erfolgen. In diesem Zusammenhang werden daher selbst Motorradfahrer mit Helm deutlich häufiger identifiziert als man zunächst glauben mag. Im Bußgeldverfahren ist die Frage der Fahrereigenschaft letztlich jedoch nur ein Teilaspekt im Rahmen der Prüfung zahlreicher Parameter. Es empfiehlt sich – nicht nur bei Zweifeln an der Identifizierbarkeit – grundsätzlich immer, den Vorgang juristisch überprüfen zu lassen, nicht zuletzt da in der Regel nur der Rechtsanwalt Akteneinsicht und Einblick in alle maßgeblichen Unterlagen erhält.

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